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Fortsetzung:
Varone Wasserfall (Gardasee): eine Wanderung durch die Geschichte

Der Wasserfall von Varone kann als wahre geologische Seltenheit bezeichnet werden. Blickt man einige zehntausend Jahre zurück, lässt sich das Entstehen dieses Wasserfalls am Gardasee rekonstruieren.
Der große Gletscher des Gardasees aus dem Quartär zieht sich zurück, und sein langsames Durchziehen hat die Furche, also das Tal des Sarca-Flusses und des Gardasees, verflacht und abgetragen.
Auch die kleineren Seitentäler waren, wenn auch in geringerem Maße, von dem Rückzug des Gletschers betroffen (wie zum Beispiel das Ballino-Tenno-Tal). Nach dem Verschwinden des Gletschers war der Weg frei für das Wasser der Sturzbäche, die nun abfließen konnten, was wiederum eine stärkere Erosion zur Folge hatte. Dieses Wasser stürzte also aus dem Tenno-Ballino-Tal hinab und mündete in die darunter liegende Talmulde von Riva. Die Stufe dieses alten Wasserfalls befand sich sehr viel weiter unten im Vergleich zu der heutigen Stufe, d.h. die Wand (in der Fachsprache "Schwelle" genannt) des Tenno-Ballino-Tals befand sich sehr viel weiter vorne. Das Wasser fiel dort hinab, wo heute der Eingang zur Schlucht liegt, die zu jenem Zeitpunkt noch nicht existierte. Vor ca. 20.000 Jahren oder vielleicht auch noch früher, trug das Wasser, welches viel Sand, Kiesel und Kies enthielt, in jahrhundertelanger Arbeit den Felsen der "Schwelle" (also der Felswand) ab.
Die Erosion hatte natürlich entsprechend der Härte des Felsens unterschiedliche Wirkung bzw. folgte auch den ursprünglichen Falten des Gesteins und wirkte daher stärker in den Aushöhlungen. Außerdem schritt die Erosion anfänglich eher langsam voran, um sich dann zu intensivieren, nachdem sich die erste Furche gebildet hatte. Auf hartem Gestein wie jenem von Varone (Jurakalk) wirkt die Erosion immer in engen, tiefen Einschnitten. Das viel Sand enthaltende Wasser verdichtete sich beim Hinabstürzen zu Strudeln. Diese Wasserwirbel voller schwebender Sandteilchen wirkten wie bohrender Schleifstein auf die Seiten der entstehenden Schlucht, die dadurch immer tiefer wurde. Dieser Prozess ist noch immer nicht abgeschlossen, und das Wasser trägt den Stein durchschnittlich zwei Millimeter pro Jahr ab. Der Rand (d.h. die Bahn) der Stufe zog sich somit immer höher auf dem Berg zurück. Die Wasserwirbel verschoben sich gleichzeitig tiefer in den Berg hinein.
Die Schlucht, in dem sich der Wasserfall von Varone befindet, ist ein perfektes Beispiel für die „regressive Erosion der Wasserfälle“: Der Aushöhlungsvorgang an der Wand des Wasserfalls führt dazu, dass diese sich immer weiter zurückzieht.
Im Laufe dieses Prozesses gab es natürlich auch manchmal Zusammenstürze loser Felswände oder von Steinen- und Geröllhalden, wodurch die heutige Form der Schlucht entstand.
Heute ist die Schlucht vom Eingang aus 55 Meter lang. Aber ganz oben, wo sich der höchste Austritt  befindet, erreicht die Schlucht eine Tiefe von 73 Metern. Die Stufe des Varone Wasserfalls am Gardasee ist insgesamt 98 Meter hoch.